Wer in die Politik gehen möchte, der darf nicht zimperlich sein und muss mit Fouls rechnen. Es ist ein bisschen wie im Fußball, nicht jeder Regelverstoß wird vom Schiri gepfiffen und geahndet. Auch die sonst gut informierten Sportkommentatoren können sich mal irren und etwas Falsches sagen. Doch die Regie hat sofort den passenden Videobeweis parat, um ein Foul, das nicht sofort gesehen wurde, nun doch zu ahnden. Wichtig ist nur, dass man genau hinschaut und die vorhandenen Mittel nutzt.

Genau anschauen ist etwas, was im Journalismus eigentlich großgeschrieben wird. Eigentlich. Denn wenn man eine Monopolstellung wie die MOZ hat – das weiß die Medienforschung schon lange – dann kann es sein, dass man nicht mehr so genau hinschaut oder sogar wegschaut. Einen bemerkenswerten Fall des Wegschauens lieferte die Märkische Oderzeitung am 7./8. Oktober mit der Überschrift „MOL-Landrat Gernot Schmidt reagiert auf Kungelei-Vorwürfe“ (https://www.moz.de/lokales/seelow/stichwahl-mol-landrat-gernot-schmidt-reagiert-auf-kungelei-vorwuerfe-60024199.html). Und das sogar im doppelten Sinne. Denn der Autor des Artikels, Ulf Grieger, lieferte neben einem schlecht recherchierten und tendenziösen Artikel auch noch einen Kommentar, der es wirklich in sich hat. Aber der Reihe nach.

Am 6. Oktober veröffentlichten BVB / FREIE WÄHLER und Rico Obenauf eine Pressemitteilung mit zwei Kerninformationen. Die erste Kerninformation war, dass der Landrat das Wappen des Landkreises im Wahlkampf genutzt hat. Bei der regelmäßig stattfindenden Transparenz-Debatte und der Verpflichtung nach Neutralität im Amt muss man eigentlich kein Jurist oder Politikexperte sein, um zu wissen, dass die Verwendung von Amtszeichen im Wahlkampf nicht erlaubt sein kann. Doch natürlich gibt es hierzu auch eine Verordnung, die dies klar regelt. Zudem besteht seit 1977 eine eindeutige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts*, die ganz klar sagt: Im Wahlkampf sind Amtsbezeichnungen als Werbung für einen Parteikandidaten tabu.

 

Wappenverwendung zu Wahlkampfzwecken unzulässig

Normalerweise interessiert es kaum einen Bürger, wenn ein Landrat in einem Wahlkampfvideo das Wappen des Kreises illegal verwendet – das wissen auch Obenauf und BVB / FREIE WÄHLER. Doch in diesem speziellen Fall ist die illegale Nutzung ein Symbol für den laxen Umgang des Landrats mit Regeln und Gesetzen. Hauptamtliche Politiker wie Landrat Schmidt müssen mit hervorragendem Beispiel vorangehen. Denn wie kann ein Landrat von seinen Bürgern Gesetzestreue erwarten, wenn er sich gerne mal eine Ausnahme von den Regeln gönnt? Wirklich brisant wurde der Fall nicht durch die Nutzung an sich, sondern durch den Umgang damit. Der Stellvertreter des Landrates, Friedemann Hanke von der CDU, sah nach einer Beschwerde keinen Grund, dagegen vorzugehen.

Auf den Vorfall durch den Journalisten Grieger angesprochen, muss Schmidt – dem Bericht nach zu urteilen – das Ganze weiter heruntergespielt und behauptet haben, dass er eine Genehmigung für die Verwendung des Wappens habe. Ganz offensichtlich hat sich Herr Grieger die Genehmigung nicht zeigen lassen. Denn erstens kann es eine solche gar nicht geben, weil sie klar rechtswidrig wäre und zweitens ist völlig unklar, wer diese rechtswidrige Genehmigung denn erteilt haben soll. Da sich der Landrat nicht selbst eine Genehmigung erteilen kann, muss es entweder sein Stellvertreter gemacht haben oder der Kreistag. Im Kreistag wurde ein derartiger Antrag nicht gestellt und die Antwort von Hanke auf die Beschwerde von BVB/FW lässt nicht darauf schließen, dass es eine Genehmigung gäbe. Denn in der Tat ist eine Wappenverwendung nur im Rahmen von Diensthandlungen oder Bildungsaufträgen möglich. Zwar sind auch Ausnahmegenehmigungen zulässig, jedoch nicht um einseitig Wahlwerbung für eine Partei zu machen.

So wird dem geneigten MOZ-Leser also suggeriert, dass doch alles in Ordnung sei, denn der Landrat habe ja eine Genehmigung. Warum seit der Beschwerde von BVB/FW der Landrat aber in seinen neuen Videos auf das Wappen verzichtet, obwohl er ja angeblich eine „ordnungsgemäße“ Genehmigung hat, da mag sich jeder seinen eigenen Reim drauf bilden. Merkwürdig ist es aber schon.

 

Ungeprüfte Übernahme der SPD-Behauptungen

Jedenfalls ist es interessant, dass der Journalist Grieger mit keiner Silbe diesen eindeutigen Rechtsverstoß in seinem Artikel erwähnt, sondern einfach mitteilt, alles sei in Ordnung, und dabei völlig ignoriert, dass derartige Verwendungen von Amtsbezeichnungen seit Jahren Gegenstand von intensiven Debatten im Landtag sind und es – wie gesagt – eine glasklare Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gibt, die so etwas untersagt. Doch dies scheint den Journalisten nicht zu interessieren, er kommt einfach selber zu einem eigenen juristischen Ergebnis und präsentiert es den Lesern, offenbar ohne recherchiert zu haben. Vielmehr wird kritiklos die Meinung des SPD-Landrates als objektive Wahrheit verkauft. Doch nicht nur das: Er lässt sich sogar noch im danebenstehenden Meinungsbeitrag dazu hinreißen, Rico Obenauf für die Veröffentlichung des Rechtsverstoßes indirekt zu kritisieren. Man solle doch wieder zur Sachpolitik zurückkehren. Eine bemerkenswerte Aussage von einem Journalisten, der in den vergangenen Artikeln nicht in der Lage war, die Kernaussage des Wahlprogramms von Rico Obenauf aufzuschreiben und zu betiteln. Bemerkenswert ist es auch deshalb, weil Obenauf der einzige der vier Kandidaten war und heute immer noch ist, der mit fünf Themenplakaten auf den Straßen Werbung für sein Programm macht und eine mehrseitige Broschüre mit Inhalten im ganzen Kreis verteilt hat.

Bemerkenswert auch, weil es der gleiche Journalist ist, der Schmidt regelmäßig Aussagen in der MOZ tätigen lässt, ohne deren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Ob es um die angeblichen Impferfolge, den vermeintlich besten Glasfaser- und Breitbandausbau oder die behauptet weitsichtige Schulplanung geht… In allem kann sich Landrat Schmidt glanzvoll darstellen, ohne kritische Nachfrage oder Gegenprüfung. Dass nun also jener Journalist fordert, man solle zur Sachlichkeit zurückkehren, obwohl er durch seine Berichterstattung nicht immer zur Aufklärung beiträgt, ist sicher mehr Realsatire als seriöser Journalismus.

Die zweite Kerninformation des Artikels von BVB/FW war, dass das Postengeschacher im Landratsamt mehr als nur Gerüchte sind. Es gibt handfeste Indizien. Sogar aus einem Protokoll der CDU-MOL wurde zitiert, um die Personaldeals offenzulegen. All das führte aber nicht etwa zu einer vertieften Recherche, wie es eigentlich üblich wäre. Nein, Herr Grieger hat Schmidt gefragt, der dementierte und damit war das Thema für die MOZ vom Tisch. Anstatt sich also das Protokoll der CDU-MOL geben zu lassen, anstatt mit Personen aus SPD und CDU zu sprechen, die nicht in der ersten Reihe stehen und von den Deals profitieren, anstatt die Hinweise und Indizien mal ordentlich unter die Lupe zu nehmen, wischt man die handfesten Vorwürfe in wenigen Zeilen Zeitungstext weg. Stattdessen übernimmt die MOZ einfach die Behauptung des Landrates und verkündet diese als zentrale Wahrheit. Interessant ist auch, dass Herr Grieger weder Péter Vida noch Rico Obenauf anrief, um sich den Vorgang nochmal detaillierter erklären oder sich weitere Hinweise geben zu lassen. Die Strippenzieher aus SPD und CDU dürfen sich selbst entlasten, kritische Nachfragen, Konfrontation mit Aussagen aus anderen Runden oder Protokollen: Fehlanzeige!

 

Aufklärung über Postendeal gefordert

Deswegen fügt BVB/FW dieser Pressemitteilung das Protokoll jener CDU-Kreisvorstandssitzung bei, in dem es heißt: „Die Zusagen aus dem Gespräch stehen für den Landrat als verbindlich.“ Trotz schriftlich vorliegenden Beweises, dass es Absprachen gegeben hat, verkündet die MOZ, dass es „natürlich“ keine gegeben habe. Den offensichtlich auf den Tisch liegenden Belegen nachzugehen, passiert wenige Tage vor der Stichwahl nicht. Aber vielleicht will die MOZ ja mal bei Landrat Schmidt, der frisch gekürten Bundestagsabgeordneten Koß, dem Beigeordneten Hanke und der CDU-Kreisvorsitzenden Augustin nachfragen, ob sie sich wirklich nicht mehr an ihr Deal-Gespräch in kleinem Kreise im ersten Quartal dieses Jahres erinnern. Denn es ist jenes (weitere) Gespräch, in dem die Postenvergabe besprochen wurde und auf welches im Protokoll Bezug genommen wird.

Und als wäre all das nicht schon genug, macht Herr Grieger den Bock zum Gärtner und lässt diesen dann auch noch lang und breit sein Programm und seine Wohltaten nochmal erläutern. Obwohl der Artikel mit den „Kungelei-Vorwürfen“ überschrieben ist, sind 2/3 des Textes eine reine Werbeveranstaltung für Landrat Schmidt ohne Bezug zur Überschrift oder den Vorwürfen. Unter vier Zwischenüberschriften darf Landrat Schmidt zu Wort kommen und unkritisch sein Programm zum Besten geben. Was das mit der Kungelei zu tun haben soll und warum in dem Artikel ein sehr großes Bild von Schmidt enthalten ist, aber keines von Rico Obenauf, kann man nicht mehr mit Zufällen erklären. Und all dies 9 Tage vor der Wahl – also mit bester Werbewirkung für Schmidt.

Der inhaltlich-absurde Höhepunkt dieses Artikels ist der letzte Abschnitt, in dem es um den Teilregionalplan Wind geht. Dieser Plan wurde wegen massiver Mängel und Probleme vom Oberverwaltungsgericht gekippt. Auch hier darf nur Schmidt seine Meinung kundtun und das wie im ganzen Artikel völlig unkritisch. Mit keiner Silbe wird Schmidts Mitschuld an der Rechtswidrigkeit des Teilregionalplans erwähnt. Denn er selbst ist als Regionalrat mit verantwortlich, dass allen Hinweisen zum Trotz an dem geschriebenen Plan samt dem gewählten Verfahren festgehalten wurde. Schmidt ist sogar Vorsitzender des Regionalvorstandes und bereitet und führt damit die Beschlüsse aus. Ebenso wird mit keiner Silbe erwähnt, dass Schmidts Partei, die SPD, ja noch mehr Windräder bauen will und die gekippten Regionalpläne eine Katastrophe für die Landesregierung sind.

 

Unterm Strich ist dieser Artikel eine Zumutung für ein aufgeklärtes Publikum, das Wert auf eine seriöse Recherche legt und sich selbst eine Meinung bilden möchte. Zudem stellt er eine massive, tendenziöse Wahlbeeinflussung zugunsten der SPD kurz vor der Stichwahl dar. Wer wie Herr Grieger fordert, auf die Sachebene zurückzukehren, sollte selbst zur Sachlichkeit und Fairness beitragen. Ein guter Schritt wäre, sich beim Publikum für diesen Artikel zu entschuldigen, die Frage nach der illegalen Wappen-Genehmigung zu klären, den SPD-CDU-Deal detailliert zu recherchieren und offenzulegen sowie Rico Obenauf ebenfalls nochmal die Möglichkeit zu geben, seine Inhalte vorzustellen.

 

Denn so kann der Berichterstatter wie im Sport ganz im Sinne von Fairplay, Gleichbehandlung und Unvoreingenommenheit dazu beitragen, dass alle bis zur letzten Minute im Wettkampf eine echte Chance haben.

 

Rico Obenauf

Landratskandidat MOL

 

Péter Vida

Landesvorsitzender BVB / FREIE WÄHLER

 

* BVerfG, Urteil vom 02.03.1977, 2 BvE 1/76: https://openjur.de/u/185031.html – seitdem in mehreren Urteilen bestätigt und spezifiziert.